Eine Geschichte über die Jagd nach einem Nashorn? Über einen steinreichen Amerikaner, den sein Großvater schon mit Sieben zum Jäger abrichtete? Die flämische Schriftstellerin, Librettistin und Journalistin Gaea Schoeters führt uns in ihrem Roman „Trophäe“ mitten hinein in sie postkolonialistische Afrikas, wo Jagdlizenz dem Tierbestand nutzen, weil sie hoch dotiert sind, dass sich das Wildern und Abschlachten für die regionalen Behörten nicht mehr lohnt.
Simon hat seinen geerbten Salon auf seine Bedürfnis zugeschnitten, was heißt: Kein Stress. Keine Anmeldung, die in Anfragen erstickt, keine doppelbesetzten Stühle, an denen sich seine Mitarbeiter abwechseln. In seiner Glastür hängt ein Schild, auf dem zumeist „geschlossen“ steht, obwohl er Kunden empfängt. Aus Laufkundschaft legt er keinen Wert. Er wohnt über seinem Salon und seine ganze Leidenschaft gehört dem Schwimmen.
David Foster Wallace schwelgte lieber in Beschreibungen statt sich Dialogen anzuvertrauen, die er höchstens indirekt wiedergab. In „Mister Squishy“ dringt Foster in die Welt der Werbeindustrie ein. Man plant einen Giftanschlag auf eine Testgruppe inmitten einer Werbekamapgne und möglichst umfassender Marktanalysen. Die moderne Welt eines David Foster Wallace rettet sich in die Komödie, wenn er gnädig ist, und ins Toxische, wenn seine Figuren sich den eigenen Depressionen überlassen.
Die Gewalt ist allgegenwärtig. Gleich zu Anfang stirbt der Vater des späteren Mafiaoberhaupts Totò Riina durch einen amerikanischen Blindgänger und reißt fast die gesamte Familie mit. Dieser Totò Riina wird später den Auftrag geben, den Richter Giovanni Falcone in die Luft zu sprengen. Roberto Saviano kennt sich mit dem Gefühl aus, sich ständig bedroht zu fühlen, keinen Schritt ohne Personenschützer vor die Tür setzen zu könne, weil ihm nach dem Leben getrachtet wird.
Westliche Dekadenz trifft auf eine archaische Welt. Genauso gut könnte man es wie auf dem Umschlag beschreiben: Eine Party, ein Ehestreit, ein Unfall. Mitten in der Wüste. Lawrence Osborne ist vor allem wegen seiner Reisereportagen vor diesem Roman bekannt gewesen. In „Denen man vergibt“ erzählt er davon, dass niemand sein Leben so lebt, dass es ihn erfüllt.
In „Sekunden der Gnade“ begegnen wir Mary Pet Fennessy, aufgewachsen in einem irischen Stadtteil Bostons, von dem behauptet wird, dass er erst von den Juden besetzt, dann von Iren übernommen wurde und sich jetzt der Gefahr ausgesetzt sieht, dass die Schwarzen Einzug halten. Dieser feinmaschig durchzogene Alltag, dessen Schreckgespenst es ist, dass Schwarze ihre Schulen besuchen, gipfelt in dem Mord an einem 20jährigen Jungen auf einem Bahnsteig, der offenbar von weißen Jugendlichen in die Station gehetzt wurde.
Julian Treslove durchlebt eine Krise. Er geht nicht gerade begeistert seiner Arbeit bei der BBC nach und auch als stellvertretender Direktor eines Kulturfestivals an der Südküste ist er eher eine Fehlbesetzung. Zwei Ex-Frauen, mit denen er jeweils einen Sohn hat, stellen sein Privatleben dar. Als die Söhne sich durch Zufall kennenlernen, haben die Mütter ein gemeinsames Thema: Julian Treslove, den Liebhabern von Opern, dessen zwei besten Freunde jüdische Witwer sind. Julian Tresloves Leben ist Durschnitt, langweilig. Bis zu jener Nacht, in der er überfallen und jeglicher Achtung vor sich selbst beraubt wird.
Es sind zufällige Begegnungen, von denen James McBride in „Der Spielzeugsammler“ erzählt. Sie verändern die Menschen, leiten ihre Wege um oder stoppen sie abrupt. Da ist ein Zug, von dem ein Sammler erfährt, der zum Mythos geworden ist. Gab es ihn wirklich? Leo Banskoff kauft antikes Spielzeug auf Kommissionsbasis. Dreiräder aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, Zinnsoldaten, selbst Flipperautomaten. Er bezeichnet sich selbst als jemand, dessen Charme man nicht widerstehen kann.
Ein sicherer Ort. Wer wünscht sich den nicht? Sicher die Prepper, die sich Jahrzehnte lang auf den Ernstfall vorbereiten und Anzeichen für die Apokalypse überall sehen. Je weiter wir in die Geschichte von Isaac Rosas Roman „Ein sicherer Ort“ in der Übersetzung Luis Ruby vordringen, desto mehr beschleicht einen das Gefühl, dass wir an einem solchen Ort nicht leben wollen.
Anne Weber hat einen Roman darüber geschrieben, wie es ist, vergessen zu werden, während man noch lebt. Entre deux ailleurs. Zwischen zwei woanders. Sie hat eine Geschichte in Streifzügen über jenes Paris geschrieben, das hinter der Périphérique liegt. Es als Banlieue in die Nachrichten schafft, wenn wieder mal Autos brennen, Randbezirke, die die französische Hauptstadt jedoch ebenso prägen, wie der Eifelturm und die Bastille.
Obwohl die Schiffspassagen bezahlt sind, auf jeden ein anderes Schicksal wartet, bewegen sich die drei Freunde in Michael Ondaatjes Roman „Katzentisch“ wie blinde Passagiere an Bord. Sie reisen übers Meer von Colombo nach London. Der Ich-Erzähler zu seiner Mutter, die ihn vor fünf Jahren zurückgelassen hat. Wehmut macht sich breit, die Melancholie geht mit dem Gefühl des Verlusts einher.
Gegen Kriegsende bricht in New York Polio aus. Gleich zu Anfang taucht eine italienische Gang an einem Sportplatz auf, um den Juden dort auch Polio zu bringen, nachdem ihr eigenes Viertel davon befallen ist. Bucky Cantor ist geistesgegenwärtig genug, die Tragödie zu verhindern. Er spült die Spucke auf dem Bürgersteig mit Ammoniak ab. Alle loben seinen Mut. Was wir Leser erst viele Seiten später erfahren: Er will sich vom Makel befreien, wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht in den Krieg nach Europa gezogen zu sein.
Die südkoreanische Autorin Han Kang wagt in ihrem Roman „Griechischstunden“ die Begegnung einer verstummten jungen Frau mit einem viel älteren Griechischlehrer, der allmählich erblindet. Zu schweigen, kann eine scharfe Abwehr sein, um der Welt aus dem Weg zu gehen, um das Unverständnis anderer Leute an einem zu ignorieren, um das Leben für sich erträglicher zu gestalten.
Dana von Suffrin erzählt von einem familiären Tableau in den 1990er Jahren, das erneut erwacht, als der Vater stirbt und Rosa seine Wohnung ausräumen muss. Sie erinnert sich, wie er manisch Pflanzen züchtete, zu einem Efeuvater wurde, dessen Familie in Gläsern auf dem Fensterbrett stand und aufwuchs, ohne Lärm zu machen. Rosa hätte sich lieber an die Liebe einer Deutschen zu einem Israeli erinnert, die alle Widerstände besiegte, aber sie weiß, dass es nicht so war. Das Leben ihrer Eltern war banal.
Was hat Georges-Arthur Goldschmidt in seiner Erzählung „Ein Wiederkommen“ dazu veranlasst, die Geschichte um sein Alter Ego Arthur Kellerlicht gleich zweimal anzugehen? In Französisch und Deutsch. Im Original lautet der Titel „Esprit de retour“. Die Rückkehr nach Deutschland wird zu einem seelischen Fiasko. Die Schwester lädt ihn ein, um das Erbe, die Rechte am Elternhaus zu klären. Deutschland ist längst nicht mehr seine Heimat.
Manche fürchten sich vor dem Leben nach dem Tod. Dabei können die letzten Jahre davor, sich längst mit Leere gefüllt haben. Was wenn da nichts mehr ist, nichts mehr kommt? Man allein mit sich ist. Einem nur die Erinnerungen bleiben. In Paul Austers Roman „Baumgartner“ wechseln sich melancholische Episoden mit verstörenden ab, wenn er unter anderem glaubt, dass seine seit über zehn Jahren tote Ehefrau ihn anruft.
Eine Tochter bricht zu einer Reise in den Iran auf, um ihrer Familie, vor allem aber dem Vater zu begegnen. Als junges Mädchen hat er sie bei ihrer Mutter gelassen und ist zurück in den Iran gegangen. Trotz aller Versuche in Deutschland Fuß zu fassen, trotz all Geschäftsideen ist er niemals dort angekommen.
In Sarah Moss Roman „Sommerwasser“ gelingt der Autorin etwas äußerst Seltenes. Die Familie drängt sich nicht auf, indem sie möglichst schrullig von ihrem eigenen Unglück berauscht daher kommt. Moss erzählt den Aufbruch in einen verregneten Urlaub und zeigt sie in den wenigen Momenten davor, die sie für sich haben. Wenn die Mutter um fünf Uhr früh zum Laufen aufbricht, um rechtzeitig zurück zu sein und ihren Jungen Frühstück zu machen.
Im Kern dreht sich alles in Benjamín Labatuts Roman „Maniac“ um die Frage, tragen wir die Verantwortung für das, was aus unseren Entdeckungen, unseren Forschungen wird? Angesichts der Wissenschaftler, deren Leben er nacherzählt, eine äußerst beunruhigende Frage. Fanatiker, Spieler, Lebensunfähige, dazwischen eine Handvoll Gutmenschen.
2020 war Jon Fosse für den ersten Band seiner Heptalogie „Der andere Name“ für den Booker International Prize nominiert. „Ich ist ein anderer“ ist der zweite Band der Trilogie. Er handelt von zwei Malern, der eine äußerst erfolgreich, der andere weniger. Sie tragen denselben Namen, Asle, und begegnen einander.
Der Roman erschien vor zwei Jahren im Original und wurde mit dem Kresnik-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten Literaturpreis Sloweniens. Er fliegt über die Epochen hinweg und bindet hundert Jahre slowenischer Geschichte auf unterhaltsame Weise an die Schicksalsschläge der Geschwister Knapp, die unterschiedlicher Meinung sind und unterschiedliche Wege beschreiten.
Verfilmt, auf die Bühne gebracht, in Frankreich ein Bestseller und wie oft bei Michel Houellebecq der Aufreger schlechthin. Dabei ist die „Unterwerfung“ in der Übersetzung von Norma Cassau und Bernd Wilczek vor allem eins: ein Gedankenspiel, das extrem auslotet, was wäre wenn?
Eine der Kardinalfragen, die Leser wie Autoren bewegt, lautet: Kann die Literatur die Welt verändern? Sie besser machen? Wer das „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad nach vielen Jahren ein zweites Mal liest oder es gerade für sich entdeckt, wird ernüchtert feststellen: Nein, kann sie nicht.
Über Nacht Zug fahren. Zwar können wir das in Deutschland auch, aber es ist bei weitem nicht das Abenteuer, das sich einem in Kanada bietet, wenn man von Montreal nach Vancouver reist. Zumal im Jahr 1929. Suzette Mayer erzählt in ihrem Roman „Der Schlafwagendiener“ von Baxter. Er ist schwarz, er fühlt sich zu Männern hingezogen, er will Zahnarzt werden und lernt ein Buch über Zahnmedizin auswendig.
Israel ohne Palästinenser. Natürlich muss dahinter ein Terroranschlag stecken. In Ibtisam Azems Roman „Das Buch vom Verschwinden“ wird den Israeli erst langsam bewusst, was geschehen ist. Keine Busse fahren. Wird etwa gestreikt? Wo ist der Arzt, der mich operieren sollte? Eine Sondersendung jagt die der andere. Keiner weiß etwas. Zu sehr waren sie in ihrer gegenseitige Abneigung verstrickt.
Mark Twain schützte sich vor sich selbst, indem die Veröffentlichung seiner Autobiografie hundert Jahre sperrte. Erst sollten alle verstorben sein, die sich hätten gekränkt fühlen können oder weit schlimmer eine Veröffentlichung verhindert hätten. Abschweifungen, Übertreibungen und auch der ein oder andere Schwindel gehören bei Twain dazu.
Paolo, der Held der Geschichte, schreibt ein Buch über die Atombombe, im Wissen darüber, dass es schon genug Bücher darüber gibt. Als Journalist nimmt er an einer Klimakonferenz teil und muss feststellen, dass die Debatten und Begegnungen dort so langweilig sind, dass er sich etwas auf den Fingern saugen muss, um seiner Redaktion etwas zu bieten. Als wäre das nicht genug, trennt sich seine Frau wegen des unerfüllbaren Kinderwunsches von ihm.
Marie NDiaye erzählt von einer 42jährigen Anwältin aus Bordeaux. Sie übernimmt das Mandat zur Verteidigung einer Mutter, die ihre Kinder ermordet hat. Die Festnahme ließ sie teilnahmslos über sich ergehen. Sie hat alles gestanden, sie will ihre Strafe verbüßen. Ihr Ehemann, von dem sie die Scheidung fordert, setzt alles daran, um sie vor Gericht freisprechen zu lassen. Er gibt vor, sie zu lieben. Ihr beizustehen.
Wir erleben Muna als Studentin in Ost-Berlin, als Stipendiatin in London, wo sie in einer seltsame Abhängigkeit als Kindermädchen verfällt. Doch immer ist da eine scheinbare Leichtigkeit, mit der sie dem Leben begegnet. Sie zeigt Stärke selbst in der Verzweiflung, bis erneut ein Fotograf in ihrem Leben auftaucht, Kälte und Gewalt Einzug halten.
Von den Roaring Twentys in New York erzählt Thomas Wolfe in seinem Roman „Die Party bei den Jacks“. Er ist ein aufmerksamer Beobachter einer Gesellschaft, die ihren festen Platz in der Upper-Class zu feiern sucht. Jack, als Jude aus Koblenz eingewandert, hat sich ganz dem Klischee entsprechend vom Tellerwäscher zum Millionär hochgearbeitet, ist Teil des Geldadels in Manhattan, der sich mit Glamour umgibt. Man bleibt unter sich. Man genügt sich. Man befindet sich im Vakuum der eigenen Wichtigkeit.
Was in „Betrug“ ein Aufreger ist, weil sich jemand ein fremdes Leben anmaßt, ist heute leichthin möglich. Dafür muss man sich nicht unbedingt einen Avatar aussuchen. Zadie Smith erzählt vom Tichborne-Fall, der tatsächlich so passiert ist. Er gipfelt in einer Gerichtsverhandlung, in der herausgefunden werden soll, ob derjenige, der sich als verschollener Sohn der vermögenden Lady Tichborne ausgibt, tatsächlich ihr Sohn ist.
Die Geschichte der New Yorker Dichterin Mia, die von ihrem Mann verlassen wird, führt zu einem völligen Zusammenbruch nach einer aufreibenden gemeinsamen Zeit als Ehepaar. Sie landet in der Psychiatrie. Er nennt es eine Pause und vergnügt sich anderswo. Mia jedoch ist stark und verzweifelt genug, um zur Selbsthilfe zu greifen.
Sandy ist Mitte Fünfzig. Ein Alter, in dem sich leicht eine Krise einschleicht. In ihrem Fall sind es eher die Krisen anderer, die ihr Gleichgewicht herausfordern. Ein Vater, der wegen Corona im Krankenhaus liegt. Sein Hund, den es zu hüten gilt. Ein seltsamer Anruf einer alten Freundin, in dem es um ein kunstvoll geschmiedetes eisernes Schloss aus dem Mittelalter geht, und deren erwachsene Kinder, die plötzlich vor Sandys Haustür auftauchen, sie beschimpfen und von ihr verlangen, dass sie ihre Mutter nicht länger belästigt.
Das Original des Budapester Autors galt lange Zeit als verschollen. Einem Schulfreund seines Sohnes und einem Fund in Mexiko auf einem Dachboden ist es verdanken, dass wir den Roman in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach lesen können. Es ist die fulminante Geschichte des Dorfs Kákásd und seiner Bewohner. Die nicht unter der Hitze, den Kriegen und Ausbeutung zu leiden haben. Trotz aller harten Arbeit sind sie dem Hunger in einer an reicher Ernte verwöhnten Gegend ausgesetzt, die sie eigentlich ernähren müsste.
Der Autor steht unverhüllt im Mittelpunkt der Geschehnisse. Sei es der Anschlag auf Charlie Hebbdo, seien es die Jugendlichen auf Leros, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind und hinter Stacheldraht gehalten werden, sei es die Einsamkeit derer, denen er ständig begegnet. Von der eigenen Depression ganz zu schweigen. Seine Realität ist zermürbend. Carrére schlägt sich mit einer Bi-Polarität herum, die er durch Meditation zu besänftigen sucht.
Joe Buck, der große, gutaussehende, naive Macho mit dem weichen Kern, den sein blinder Optimismus von Houston nach New York treibt, arbeitet als Tellerwäscher und kauft sich gleich zu Anfang von „Midnight Cowboy“ ein Paar Stiefel, die mehr sind als eine Fußbekleidung. Sie und der passende Hut verwandeln ihn in einen Cowboy.
Normale Menschen, wie gerne verwenden wir den Ausdruck für uns und unterscheiden uns von anderen, die genauso über sich denken. In Sally Rooneys Roman „Normale Menschen“ mögen sich die Protagonisten vielleicht als normal bezeichnen, doch sie es sind auf keinen Fall.
Die Tüte Chips, die Cola auf dem Schreibtisch, von Nacken- und Rückenschmerzen geplagt, ein Leben für den Bildschirm. Kein Wunder also, dass Siv in „Schwachstellen“ von Yishai Sarid in der Übersetzung von Ruth Achlama davon träumt, fremde Welten zu bereisen, Abenteuer zu erleben. Besäße er nur nicht dieses außerordentliche Talent zum Hacken, das einen Nachrichtendienst auf ihn aufmerksam macht.
In der gerade 70 Seiten umfassenden Geschichte „Ein Leuchten“ von Jon Fosse fährt ein Mann von der Landstraße ab und bleibt mit seinem Wagen im Wald stecken. Schon kreisen die Gedanken bruchstückhaft um das, was nun zu tun ist. Schließlich hat er seit Längerem nichts gegessen, es beginnt zu schneien. Gleich drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Mann nicht zufällig da gelandet ist.
Michael Kohlhaas wird niemals sterben. Zu sehr steht er für das Scheitern der Gerechtigkeit. Für den Mut der Obrigkeit die Stirn zu bieten, für den Aufstand, für die Hoffnung, Dinge ändern zu können. Doch mit der Gerechtigkeit ist das so eine Sache. Fordert einer sie für sich ein, kommt nicht immer Gerechtigkeit dabei heraus.
Heute fragen wir uns oft, wie das war: Zu Zeiten von Corona. Wie unser Leben von heute auf Morgen beschnitten wurde, global alles zum Stillstand kam und manche Menschen an die große Verschwörung zu glauben begannen. Frank ist nicht ängstlich. Eigentlich gehört zu den Risikopatienten, weil er weit über die Siebzig ist. Er ist sitzt in einem Luxushotel fest, der Ausgang ist beschränkt, seine Aktien fallen, seine Lebensplanung ist ihm abhandengekommen.
Dass Schauspieler, Regisseure, Künstler verführbare Menschen sind, die mitunter moralische Skrupel über Bord werfen, kennen wir aus Klaus Manns Roman „Mephisto“. Auch wenn Kehlmanns Georg Wilhelm Pabst beileibe nicht das Diabolische wie Hendrik Höfgen verkörpert. Kehlmann schafft es, dem absurden Versagen, dem Hoffen, dem Trauern, der Angst und Dummheit einen Hauch von Komik abzuringen.
Anthony McCarten beschreibt in seinem Roman „Going Zero“ einen Beta-Test. Der Social-Media-Mogul Cy Baxter schreibt einen Wettbewerb aus, bei dem zehn ausgewählte Kandidaten, nichts anderes zu tun haben, als für seine Firma Fusion unauffindbar zu sein. Wem das 30 Tage lang gelingt, dem winken als Siegprämie 3 Millionen Dollar.
Verloren in einem Land, das einem so vertraut erschien. Murat hat sich auf die Suche nach seiner Tochter Naima begeben, die sich dem IS angeschlossen hat. Ihre Beweggründe kann er nicht verstehen. Sie hat sich ihm entfremdet und doch spürt er, dass sie in Gefahr ist.
In keinem mir bekannten Buch wird die Suche nach Gerechtigkeit so vernichtend, bis zur Erschöpfung dargestellt, wie in Emmanuel Carréres Gerichtsreportage „V13“. Und trotzdem feiern Nebenkläger, Staatsanwälte und Prozessbeobachter nach der Urteilsverkündung gemeinsam, weil das Unmögliche geschafft wurde. Der Titel bezieht sich auf den Tag des Attentats in Paris: dem Vendredi 13. Carrére verfolgte die Gerichtsverhandlung wegen der Terroranschläge im November 2015 über Monate im Gerichtssaal
Pat Barker erzählt in ihrer Trilogie in der Übersetzung von Matthias Fienborkvon Menschen, die zurück bleiben, sich zurechtzufinden versuchen. Das Abschlachten endete nicht mit der Kapitulation. Die Siege, werden gefeiert, während die Liste der Toten, Versehrten, das Grauen des Alltags bestimmen.
Da ist der Starrsinn einer Großmutter, die nicht nach Florida will und ihre ganze Familie in den Abgrund reiß. Da ist der verzweifelte Versuch einer Mutter, einen Landstreicher damit zu bestechen, ihre Tochter zu heiraten, indem sie ihm einen Wagen schenkt. Da sind die drei Jugendlichen, die eine Farmersfrau in den Wahnsinn treiben, indem sie sich nicht an die Regeln halten. Die da lauten ihr seid arm, ich will euch nur Gutes tun. Die Stories von Flannery O’Connor gäben den Stoff für Romane her.
Ein Voyeur, Gelehrter, ein Chronist, der mittels der Figur einer Lektorin in seinem Stammcafé ein verliebtes Paar beobachtet. Luisa und Miguel sind einander in der Übersetzung von Susanne Lange so zugetan, dass sie Blicke auf sich ziehen. Aus der Zeitung erfährt Maria, warum die beiden eines Tages nicht mehr auftauchen. Der Mann wurde erstochen. Nicht zum ersten Mal bietet ein Verbrechen den Einlass in Javier Marias Erzählkunst, ohne ein Kriminalroman sein zu wollen.
Und wenn wir einmal nicht mehr da sind, was dann? Was wird aus der Kunst? Macht der Verfall uns nicht klar, dass sie keinen Bestand hat. Ein Mann wird zum Künstler in Michel Houellebecqs „Karte und Gebiet“. Aus einem besseren Hobby heraus. Seine Karten und die kunstvolle Gegenüberstellung mit Satellitenbildern trifft den Nerv der Zeit.
Selbst bei der Wahl seiner Ehefrau muss Cosini sich begnügen. Er heiratet die hässlichste von drei Schwestern, bei der er zuvor nichts unterlassen hat, um sie zu erniedrigen. In ihr begegnet er ausgerechnet dem einzigen Menschen, der Verständnis für ihn aufbringt. Was zu den absurden Wunderlichkeiten gehört, die das Leben für Cosini bereithält. Kann man es schon nicht nach eigenen Wünschen einrichten, muss man sich mit ihm anfreunden.
Er könnte wie Elizabeth Taylor statt dreimal gleich achtmal heiraten. Kein Problem. Er würde immer ein Junge mit großen, staunenden Augen bleiben. Mordecai Richler, 1931 in Montreal als Sohn eines Schrotthändlers geboren, hat uns mit Barney den Romantiker schlechthin beschert.
In „Grenzfahrt“ von Andrzej Stasiuk führt der Autor uns zurück in das Jahr 1941. Kurz vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. In einem zweiten Erzählstrang lässt er den Vater des Erzählers in sein Dorf zurückkehren. Inwieweit die Erinnerungslücken aus seiner Kindheit Selbstschutz oder Anfang einer schleichenden Demenz sind, bleibt dabei offen.
Zwischen Adrian Finn und Tony Webster entwickelt sich während der Schulzeit das, was man gerne mit Freundschaft umschreibt. Sie halten zusammen. Ihre Weg trennen sich schließlich und im Abstand von vielen Jahre schrumpft das Traurige, Schlechte zusammen und wächst die Verklärung an. Wehmut ergreift uns in Julian Barnes Roman „Vom Ende einer Geschichte“, wenn wir an unsere eigenen Jugendfreundschaften denken, die unerschütterlich erschienen, dann unerklärlicherweise abgekühlt sind.
Mansura Eseddins Roman „Hinter dem Paradies“ ist die Geschichte der Freundinnen Gamila und Selma, die beide aus einem Dorf im Niltal stammen. Selma ist Journalist, nicht nur ihre Ehe ist gescheitert, sie durchlebt eine Krise. Durch die Rückkehr in das „Weiße Haus“ ihrer Jugend wirft sie eine Art Rettungsanker. Sie will, sie muss sich erinnern, um über sich sprechen zu können.
Da hat Griechenland noch einmal Glück gehabt. Es steht nicht wie in „Hund 15“ von Laurent Gaudé unter der Herrschaft von GoldTex. Jenem Unternehmen, dass sich die Finanzkrise zu eigen macht und den beinah Staatsbankrott des Landes ausnutzt, um es quasi aufzukaufen und jeden Widerstand gegen die Installierung einer Gesellschaft in drei Zonen gewaltsam zu brechen. Wer sich nicht fügt, sich als Arbeitskraft eingliedern lässt, landete entweder in Zone 3, der Unterschicht, oder wird des Landes verwiesen.
Selbst bei florierender Wirtschaft bleiben viele auf der Strecke und müssen wegen Stütze anstehen, was zu einem Wirtschaftswunder ganz eigener Art führt. Kannst du dein Geld nicht mit legalen Mittel verdienen, stehst du an einer Ecke und verkaufst Drogen oder sorgst dafür, dass mittels Mord, Erpressung und Einschüchterung, die Gewinne nicht in Gefahr geraten.
Die Geschichte von „Die Stunde der Komödianten“ ist so komplex, dass allein die Kurzfassung den Rahmen dieses Podcast sprengen würde. Viele Handlungsstränge kreuzen oder verknüpfen sich ineinander im Jahr 1963 vor dem Hintergrund der Gewaltherrschaft eines Francois Duvallier, genannt Papa Doc, und seiner Terrormiliz Tonton Macoute auf Haiti.
Der Maler Olivier Bertin ist aus einfachen Verhältnissen zum Liebling des Fin-de-siecles aufgestiegen. Er ist ein gefragter Porträtmaler, lebt in einer Art Ménage à trois mit der verheirateten Abgeordnetengattin Anne de Guilleroy. Sie ist seine Muse, die er für seine kreative Arbeit benötigt, sie teilen eine tiefe Zuneigung zueinander. Die Liebe so zuverlässig wie eine monatliche Banküberweisung.
Laurent Binets Annäherung an eine Bestie gleicht in seinem Roman „HHhH“ dem Versuch den Schrecken gegen die Banalität zu setzen, um die zwiespältigen, verabscheuenden Gefühle einer nachgeborenen Generation über einen Nazischergen wie Heinrich Heydrich Ausdruck zu verleihen.
Wer kennt das nicht? Ein alter Freund läuft einem zufällig über den Weg und man geht zusammen auf einen Kaffee oder etwas Alkoholisches, um zu erfahren, wie es ihm in all den Jahren, in denen man sich nicht gesehen hat, ergangen ist. Wie sich herausstellt, war sein Leben viel aufregender, viel erfolgreicher als das Eigene. Also lässt man ihn reden, schwärmen, berichten, erträgt seine womöglich banale Angeberei.
Natürlich ist Oscar Wilde nicht vergessen. Sein Bildnis des Dorian Gray ist zum Synonym des Narzissmus geworden. Egal, ob Showbiz, Modeindustrie, die Medien, sie alle wälzen sich in dem Titel des Romans und beschwören den Boulevard der Dämmerung des jeweils anderen herauf. Schönheit ist vergänglich, oder?
David Lurie ist in Ungnade gefallen. Seine Affäre in der Nach-Appartheit-Zeit an der Universität in Südafrika mit einer seiner Studentinnen war nicht länger zu verheimlichen. Vor der Untersuchungskommission bekennt er sich schuldig. Warum auch nicht? Die Fakten sind eindeutig. Warum auch nicht, wenn einem nie etwas was bedeutet hat
Katherine Mansfield hinterließ eine Vielzahl Erzählungen wie „Der Baron“ oder „In einer deutschen Pension“, die das beschauliche Leben des späten wilhelminischen Reiches feiern. Stets um Form bemüht, geschult an Chechovs Minimalismus, ließ sie schon bald den Erzählstil des 19 Jahrhunderts hinter sich.
Die Pepys Road in London. Nach jenem berühmten Tagebuchschreiber und Chronisten der Restaurationsepoche des 17.Jahrhunderts benannt. Wenn ein Autor sich eine solche Straße für seine Geschichte aussucht, wendet er sich eher nicht der unteren Gehaltsgrenze zu. Die Menschen, die dort wohnen, zählen sich zu den Gewinnern. Weit vor dem Brexit erfreuen sie sich an einer überteuerten Immobilienblase.
Die Klarheit der Klassiker macht sie so beliebt. Es steht nie in Frage, was der Autor uns mit auf den Weg geben will. Es gibt die gute Seite, es gibt die schlechte Seite, die Sprache ist exquisit und das Ende ein Fanal. Das wissen Nationen zu schätzen. Sie errichten den Dichtern Denkmäler. Alexander Puschkin weiß um die Ränke der gehobenen Gesellschaft. Um ihre Mythen. Um ihre Verführbarkeit.
In der Übersetzung von Eva Bonné treffen wir schon im ersten Satz: „Später hatten wir dann oft ein Buch dabei“ auf den Kern der Geschichte. Ohne geht es nicht. Wir begleiten eine junge Frau in einer englischen Arbeiterstadt bei einem Coming of Age. Sie empfindet Familie, Schule, ihren Körper als etwas, an das sie sich auf dem Weg zur Selbstbestimmung herantasten muss. Bücher sind ihr da eine Stütze, ein Zufluchtsort, ein Passepartout.
Jean Genets Theaterstücke stammen aus einer Zeit als Schriftsteller und Schriftstellerinnen wichtiger waren als Regisseure. In diesem Jahrzehnt, in dem die Autoren die Politik wagten, wurde er nicht nur wegen seiner schillernden Biografie zu einem Shootingstar der Theaterweltwelt. Er war unzuverlässig, entzog sich, bevorzugte die Täuschung und war alles andere als politisch korrekt.
Théo und seine Zwillingsschwester Isabelle begegnen zufällig vor der Cinémathèque Francaise dem junge Amerikaner Matthew und laden ihn in die Wohnung ihrer Eltern ein, die in Urlaub sind. Regelmäßig schauen sie sich Filme in der Cinémathèque an, bis Malraux dem Direktor Henri Langlois den Stuhl vor die Tür setzt und die Türen geschlossen werden. Das weckt jedoch nicht den politischen Protest in ihnen, sie veranstalten lieber weiterhin ihre Pfänderspiel über Filmszenen, Schauspieler, Regisseure und verlassen kaum noch die Wohnung.
Den jungen Marine Lionel White, den seine Kameraden im Irak „Black Jesus“ nannten, hat eine Straßenbombe das Augenlicht geraubt. Er wird von seiner Mutter Debbie in einem schrottreifen Chrysler nach Hause gefahren, wo sie ihn unterm ihrem Dach einquartiert. Wäre es nicht besser gewesen, tot im Krieg zurückzubleiben, statt vollgepumpt mit Schmerzmittel, auf die Hilfe anderer angewiesen sein?
Den Roman sollte man sich an einigen Stellen laut vorlesen, um ein literarisches Schwarz-Weiß zu erlangen. Die Sprache dröhnt darin, ist zuweilen widerborstig und verleiht der Stille, dem Ungesagten eine polternde Poesie. Pankraz, ein künstlerisch begabter Mensch, fühlt sich sein Leben lang zwangsverpflichtet. Er ist der Chronisten eines ganzen Jahrhunderts deutscher Geschichte voller Verwüstung.
„Salomés Zorn“ von Simone Atangana Bekono ist die Geschichte einer Sechszehnjährigen, die von einer unbändigen Wut angetrieben wird und schließlich in einer Jugendstrafanstalt landet, wo sie sich Marissa annähert, von Freundschaft zu sprechen, wäre vermessen. Ihre Rebellion, ihr Beharren auf Freiheit verbindet sie. Salomés Hilflosigkeit ist längst von Zorn geprägt. Sie wehrt sich nicht nur verbal. Sie neigt zu Gewaltausbrüchen.
Bill Gray, weltberühmter Schriftsteller, gibt keine Interviews, lässt sich nicht fotografieren und hält seinen Aufenthaltsort geheim. Die Verweigerung hat aus ihm einen Autor mit hohen Auflagen gemacht. Seit zwanzig Jahren schreibt er nun an seinem letzten Werk und bezahlt dafür einen hohen Preis. Sein neues Buch ist überfrachtet, missraten, leblos, ohne Esprit.
Gina begegnet auf der Gartenparty ihrer Schwester einem Mann. Ein Blick nichts mehr. Anne Enrights „Anatomie einer Affäre“ in der Übersetzung von Hans-Christian Oeser ist kein berauschender Amour fous. Hier rechnet keine Anna Karenina mit der Verlogenheit einer Gesellschaft ab. Das Nachbeben dieser Begegnung wächst allmählich zu der Frage an, warum nicht?
In „Zu guter Letzt“ ist Mutter Eleanor Melrose endlich verstorben und bleibt doch für viele der Anwesenden auf der Trauerfeier ein ständiger Unruheherd. Makaber mitunter wird ihrer bei einem Scotch gedacht. Die meisten Urteile, ob sie beschönigt ausfallen oder demaskierend, entlarven sich selbst. Dass St Aubyns eigene düstere Kindheit als Mitglied des Hochadels die Vorlage für insgesamt fünf Romane bietet, zeichnet den zerrüttenden Weg innerer Verletzungen nach, der nur mit beißender Komik beizukommen ist.
Was hat ein Think Tank in Seattle mit einer Geiselnahme im Libanon zu tun? Während in den USA an einer virtuellen Welt gearbeitet wird, kehrt Taimur Martin, der Sohn einer iranischen Mutter und eines US-Soldaten, nach einer Zigarettenpause nicht in seinen Alltag zurück. Er wird von einer fundamentalistischen Splittergruppe entführt.
Angesichts der politische Ohnmacht sichert nur der Zauber das Überleben in der freien Republik „Aburira. Längst sind die Vasallen des Herrschers dabei das Land auszuverkaufen. Sie beantragen einen gigantischen Kredit in New York an, um ein Weltwunder zu Ehren des Herrschers zu errichten: „Marching to Heaven“. Dafür muss das chaotische Land den Bankern allerdings einen funktionierenden Staat vorgaukeln, um sich bei einem Höflichkeitsbesuch des Herrschers in New York deren die Gunst zu sichern.
Die Schreckensszenarien sind seit Corona explodiert. Keine Zukunft ohne Untergang. Die Menschheit wird ausgerottet werden und dafür braucht es keine Aliens mehr. José Saramagos Endzeitversion, die 1995 erschien, besteht aus plötzlich eintretender Blindheit. Ein Autofahrer verliert sein Augenlicht an einer Kreuzung.
Gleich zu Anfang sitzt sie in einem Café und träumt davon, ein eigenes zu besitzen. Der Ort ist wichtiger, als jeder Beifallssturm nach einem ihrer Konzerte. Von hier aus begibt sie sich auf ihre Reisen, die sie an ferne Orte bringt und zu den Dichtern und Schriftstellerinnen, die sie bewundert. Hierhin kehrt sie immer wieder zurück und ist verärgert, wenn jemand anderer an ihrem Tisch sitzt.
Eine Versuchsanleitung über den Zustand der Liebe. Dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Ein Mann bezahlt eine Frau, damit sie mehrere Tage lang nackt mit Blick auf das Schwarze Meer in seinem Bett liegt. „Man müsse die Männer sehr lieben, um sie lieben zu können“, sagte Duras, „Sonst könne man sie nicht ertragen.“
Als der Roman 1962 erschien, war er ein Beitrag zur italienischen Vergangenheitsbewältigung. Er beschrieb eine Familiengeschichte zu Zeiten der aufziehenden Rassengesetze, der Deportationen und Ermordung der italienischen Juden in einem deutschen Konzentrationslager. Er ist auch die Geschichte der Liebe des Erzählers zu der geheimnisvollen Tochter des Hauses und seiner Leidenschaft für Tennis in einem ummauerten Park.
In Nathan Hills Roman „Geister“ taucht aus der Kindheit des Literaturprofessors Samuel Anderson nach einem Anruf eines Anwalts plötzlich die Mutter wieder auf. Sie steckt in der Klemme, braucht seine Hilfe. Hat sie doch eben erst einen reaktionären, revolvertragenden Gouverneur angegriffen, der Präsident werden will.
Wir werden in eine mittelalterliche Welt hineingezogen mit einem brutalen Herrscher und einem Dorf, das sich ihm bedingungslos unterworfen hat. Einer Welt mit dem Bauern Jude, der alleine seinen Sohn Marek großzieht und einer verstoßenen Heilerin, die im Wald lebt. Wer jetzt einen historischen Roman á la Gablé oder Ken Follett erwartet, wird enttäuscht werden.
Welche Wirkung „Ragazzi di Vita“ von Pier Paolo Pasolini im Italien der Nachkriegszeit hatte, ist heute kaum noch vorstellbar, wo alle Tabus gebrochen zu sein scheinen. Dass ein Roman gleichermaßen die Parteien und die Kirche gegen sich aufbringt, die Geschichte einer Gruppe von Außenseitern quer durch die Gesellschaftsschichten verstört und ausgerechnet den römischen Underdogs eine literarische Stimme verleiht, war unerhört.
Marseille war ein Brennpunkt, von dem aus die Flucht ins Ausland gelingen sollte. Hier sammelten sich die Gestrandeten in der Hoffnung noch einmal mit einer Passage nach Übersee davon zu kommen. Der Autor Jean Malaquais war einer davon. In seinem vielschichtigen Roman „Planet ohne Visum“ erzählt er von der heraufziehenden Gefahr, die den französischen Alltag kurz vor der Besetzung der freien französischen Zone durch die Nazis im Süden zerfrisst.
Die Geschichte des Francie Brady ist alles andere als die eines hilflos Gepeinigten. Der Butcher Boy setzt seine Wut frei und den Schweinehälften im Schlachthaus gerne Mal das Bolzenschussgerät an den Schädel. McCabe gelingt es seinen Ich-Erzähler mal seelenlos, mal missbraucht und mal brachial poetisch von seinem Leben erzählen zu lassen.
Eine weiße Frau und ein farbiger Mann im Amerika der 1950er Jahre. Wir denken nur an Sami Davis Jr. und May Britt, deren Verbindung den Ku-Klux-Klan heraufbeschwor. Das bigotte Amerika jener Jahre verzieh niemandem, der sich nicht an seine Regeln hielt.
In Knoxville versammeln sich die Verdammten. Mitten unter ihnen Suttree, der auf einem abgehalfterten Hausboot lebt und sein Leben fristet. Das McCarthy der Chronist derjenigen ganz unten ist, hat er in vielen seiner Romane unter Beweis gestellt. Einmal dort angelangt sind selbst die Träume grau und nur Schmerz macht einem Tag für Tag klar, dass man noch am Leben ist.
Der Guardian schrieb über den Roman „Das wichtigste Buch, des 20 Jahrhunderts über Männer und Frauen.“ Also sollten wir es ruhig im 21. Jahrhundert auch noch lesen dürfen. Aberwitzig beschreibt sich die Autorin Chris Kraus als gescheiterte Künstlerin in den Vierzigern und lebt mit ihrem französischen Mann Sylvère Lotringer das Leben einer New Yorker Intellektuellen. Er ist es, durch den sie Dick kennenlernt und seinem männliche Auftreten eines Cowboys verfällt, der darüber hinaus gerne in Theorien schwelgt. Eine Ménage a trois bahnt sich an.
In „Der lange Traum“ begibt sich eine junge Frau auf die Suche nach ihrem verschwundenen Vater auf eine Seeinsel, für die eine amerikanische Umweltorganisation ein Kaufangebot vorgelegt hat. Angesichts seines möglichen Todes drängen sich verschollen geglaubte Erinnerungen auf. In Begleitung ihres Freunds und einem Ehepaar findet die Erzählerin im Haus ihres Vaters jedoch kein Lebenszeichen von ihm.
Henry James war ein Verführer, ein Connaisseur, ein Sprachvirtuose, der der aristokratischen Lebensweise zugeneigt war. Wenn er seinen „Washington Square“ mitten ins 19. Jahrhundert verlegt, sind die Gefahren der wohlhabenden Bürgerschicht wie bei den Landadligen einer Jane Austen darauf ausgerichtet, die richtige Partie zu machen. Was es hieß, eine Ehe zu schließen, hat in unserem Zeitalter der schnellen Scheidungen an Bedeutung verloren. Mitte des 19. Jahrhunderts hieß es noch…. auf ewig.
Frank Herbert entreißt in seiner Neu-Übersetzung Queneaus Sprache jeglichem dämpfenden Einflusses. Zwar treffen wir immer noch auf ein Paris, das es so nicht mehr gibt und uns melancholisch stimmt, aber er gewinnt jene Abgründe zurück, die in Malles Film komödiantische Gestalt annehmen. Frechheit ist all das, was sich gerade so unter die Messlatte der Beleidigung bewegt.
Angeblich hat Boris Vian mit seinem Verleger gewettet, dass er einen Bestseller schreiben könne und den innerhalb von vierzehn Tagen. Vian übersetzte aus dem Amerikanischen, spielte abends Trompete in einem Jazzlokal in Saint-Germain-des-Prés. Zwischendurch also als Fingerübung einen Krimi. Einen Roman Noir. Einen amerikanischen Thriller. Doch Vian wollte mehr, er wollte provozieren.
Wenn die Welt einen erschlägt, bleibt einem nur ein Ausweg, sich von ihr zurückziehen. Das alltägliche Spiel der Begegnungen muss man nicht mitspielen, zumal inmitten von New Yorker, die allzu gerne das Klischee von sich besingen, niemals zu schlafen. E.L. Doctorow beschreibt in seinem Roman „Homer & Langley“ zwei zur Berühmtheit gewordene Brüder, die einer Obsession verfallen waren. Sie sammelten alles, was sie in die Hände bekamen, stopften damit ihr Elternhaus voll und schotten sich ab.
Blind zu werden, taub, den Geruchsinn zu verlieren, was für eine furchtbare Vorstellung. Und dabei sind wir es längst angesichts der Flut von Eindrücken, die Tag für Tag über uns hereinbrechen. Lucy Fricke führt uns mit ihrem Roman „Takeshis Haut“ in die verschlungene Welt des Hörens ein. Mit ihrer Geräuschemacherin betreten wir eine Welt, die nahe an der Stille liegt, obwohl der Alltagslärm um sie herum, sie erschlägt.
In einem fulminanten Auftakt wird die Geschichte vom Aufstieg eines Brachlands zum Wohnort für Schwarze erzählt. Das Land wurde 1820 von Luther Needed erstanden, der dafür Frau und Kinder in die Sklaverei verkaufte. Mehr als 150 Jahre bleibt es im Besitz der Familie ist. „Ein schwarzer Spucknapf im weißen Auge Amerikas“.
Jeder bewahrt in seinem Bücherschrank Literatur auf, die ihn vor Jahren oder Jahrzehnten fasziniert hat. Sie hallt nach und wir stoßen eher zufällig wieder auf sie. Vielleicht erinnern wir uns noch an eine Textpassage, an eine Figur, ein Bild. Manchmal ist die Geschichte verloren gegangen, weil es im Lauf der Zeit zu viele davon gab, die unsere Neugier anfachte. Mir geht es so mit David Payne und seinem Roman „Bekenntnisse eines Taoisten an der Wall Street“.
Jeder Short-Stories-Schreiber träumt davon, eines Tages einen Roman zu veröffentlichen. In John Cheevers Welt am besten gleich den Großen Amerikanischen Roman. Er schrieb fast zwanzig Jahre an seinem. „Die Geschichte der Wapshots“ wurde mit dem National Book Award ausgezeichnet. Seine Kurzgeschichten mit dem Pulitzer Preis bedacht.
In John McGaherns „Unter Frauen“ erzählt der Autor die Geschichte eines familiären Tyrannen, der um für die Freiheit der Republik Irland gekämpft hat und Zuhause von dieser Freiheit nichts wissen will. Michael Moran setzt mit eiserner Hand die traditionellen irischen Werte durch und unterwirft die Familie. Was für die Republik gelten soll, ist für Frau und Kinder nicht vorgesehen.
Im November 1959 fand man die vierköpfige Familie Clutter brutal ermordet in ihrem Haus in Holcomb, Texas auf. Kurze Zeit später wurden die Täter gefasst und zum Tode verurteilt. Truman Capote erfuhr aus der New York Times von Dick Hickock und Perry Smith und fuhr nach Holcomb, um die Hintergründe zu recherchieren. Er traf auf eine Bevölkerung, die durch die Morde ihrer Idylle entrissen wurde und die das Gefühl für Sicherheit verloren hatte.
Enttäuschung und Desillusionierung, der moralische Verfall und die Suche nach der eigenen Identität prägen das Leben seiner Figuren. Was ist aus dem amerikanischen Traum geworden, wenn es ihn denn jemals gab. Shepards Figuren wollen ihn nicht aufgeben. In „Der große Himmel“ treten uns viele Moment wie aus dem Kino entgegen.
Der Roman spielt zur Zeit des marokkanischen Unabhängigkeitskampfes. Mathilde, die Französin, und Amine Belhaj, ein marokkanischen Offizier im Dienst der französischen Armee verlieben sich ineinander. Nicht ohne Hochmut ihrer Familie gegenüber, weil sie in die Freiheit aufbricht, folgt sie ihm als Ehefrau nach Marokko, wo die beiden am Fuße des Atlas-Gebirges auf einem abgelegenen Hof leben.
In den Anfangsjahren galten die Bücher der Keun eher als reine Unterhaltung. Ein frischer, frecher, fordernder, unangepasster Ton, der mit dem Bild aufräumte, was Frauen durften. Hier ergab sich eine Frau nicht in das, was man von ihr erwartete. Sie besaß eigene Sehnsüchte, Träumen.
Dem ungarischen Autor Sándor Márai wurde 1998 eine überfällige Wiederentdeckung zuteil, nachdem der Roman bereits 1942 in Ungarn erschienen war. Sieben Jahre nach seinem Tod in San Diego. „Die Glut“ wurde so hymnisch von Kritik und Lesern aufgenommen, dass man sich fragte, wie diese Geschichte solange in Vergessenheit geraten konnte.
Der Dichter Ka kehrt 1992 angesichts des Todes seiner Mutter nach Istanbul zurück. Nach zwölf Jahren, die er wegen seiner sozialistischen Ansichten im Exil verbracht hat. Die Zeitung Cumhuriyet schickt ihn nach Kars, um nach der Ermordung des Bürgermeisters über die Neuwahlen zu berichten und über die Hintergründe der rätselhaften Selbstmorde junger Frauen wegen des Kopftuchverbots an der Universität zu recherchieren.
Joan Didion erinnert an ihre Tochter Quintana Roo, die mit nur 39 Jahren verstarb und die sie zusammen mit ihrem Mann adoptiert hatte. Wie schon in „Das Jahr des magischen Denkens“, wo Didion von dem persönlichen Verlust durch den Tod ihres Manns John Gregory Dunne erzählt, kehrt sie zur literarischen Klärung zurück.
„Ich bin nicht Stiller.“ Wohl kaum hat es in der Literatur ein Satz so auf den Punkt gebracht. James Larkin White wird bei seiner Einreise in die Schweiz festgenommen. Mit gefälschten Papieren. Für sie ist dieser White jemand anderer. Mag er sich auch noch so sehr dagegen wehren.
Bascombe wirkt wie das Amerika zu jener Zeit seltsam in sich verweilend. Er ist geschieden, seine Frau hat wieder geheiratet. Sein Sohn Paul wächst bei seiner Mutter auf und ihr Verhältnis ist belastet. Der 4. Juli, der Unabhängigkeitstag, soll Vater und Sohn einander näherbringen. Sie brechen zu einer Reise auf, die sie zur Baseball Hall of Fame führen soll.
Heute im Podcast der vergessenen Bücher ein Roman, der in der deutschen Übersetzung noch gar nicht vergessen sein sollte, weil er erst 2019 erschienen ist. José Eduardo Agualusa „Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer“. Da ist Daniel Benchimol, der immer wieder von derselben Frau träumt und ihr lediglich im Schlaf begegnet. Soll ja vorkommen. Auch, dass man selbst nicht mehr träumt wie bei Benchimols Freund Hossi. Der wiederum taucht vermehrt in den Träumen anderer auf und sorgt für Verwirrung.
Michael Dillons Zukunft sollte eine andere sein. Er will mit seiner Geliebten nach London ziehen. Der Manager des Clarence Hotel in Belfast wird erpresst. Jugendliche Anhänger der IRA dringen in sein Haus ein, und fordern ihn auf, seinen Wagen, indem sie eine Bombe platziert haben, vor dem Hotel zu parken, wo am nächsten Tag eine Versammlung protestantischer Militanter abgehalten wird.
Die Geschichte einer Verwirrung. Wie auch anders soll ein Autor einer fremden Welt begegnen, in die er zwar hineingeboren wurde, aber seine Kindheit in Lagos verbrachte. Teju Coles, Protagonist Julius ist Psychiater und müsste sich mit menschlichem Versagen und seelischen Schäden auskennen. Wenn er durch Manhattan schlendert, begegnet er nicht nur einer Metropole, er spürt die Vereinsamung hautnah.
Wir folgen der Geschichte drei Familien. Am Neujahrsmorgen 1975 missglückt ein Selbstmordversuch, was tragisch-komisch ist, weil der verhinderte Selbstmörder sich in derselben Nacht in Clara, der Tochter eines jamaikanischen Einwanderers, verliebt. Außerdem ist Archie, so heißt der vermeidliche Unglücksrabe, befreundet mit Samad. Sie verbindet ein gemeinsamer Einsatz im Zweiten Weltkrieg.
John Williams „Stoner“ ist eine Geschichte voller leiser Sprengkraft über die Lieblosigkeit. Nach außen ein tolles Paar, nach innen versteinert. Was hält solche Menschen zusammen: Ein Kind. Das Kind soll es richten.
Besitzt jemand, der nichts tut, Abgründe? Lohnt es sich seine Beweggründe zu erforschen? Oder ist er einfach nur faul? Solange ich nichts tue, tue ich auch nicht Falsches, oder? In Iwan Gontscharows Klassiker „Oblomow“ wird der Mittagsschlaf zum wichtigsten Tagespunkt eines russischen Adligen.
Ein kalter Hauch zerstörter Seelen zeichnet das Bild von David Peace Nachkriegs-Tokio 1948. Ein angeblicher Amtsarzt betritt eine Filiale der Teikoku Bank und behauptet, dass in der Nachbarschaft Fälle von Ruhr aufgetreten sind. Im Auftrag des Gesundheitsministeriums soll er nun alle Angestellten impfen. Zwölf von ihnen werden sterben, der Rest bewusstlos.
Der Roman erschien in einem Amsterdamer Exilverlag und erzählt von den Ängsten einer Künstlerexistenz, die sich der Gefahr ausgesetzt sieht, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Er ist ja nur ein Schauspieler, wird ihm klargemacht. Und was ist ein Schauspieler im Exil, ohne sein Publikum?
Im Roman erzählt der fast erblindete siebzigjährige Ich-Erzähler Leo Hertzberg von der Freundschaft zu Bill Wechsler, dem Maler, und den Frauen, die sie zu lieben vorgeben. Sie alle führen ein Intellektuellenleben, das auf übermäßige Leidenschaft verzichtet und deswegen scheinbar Bestand hat
Nach dem Erscheinen von „Unter Null“ sahen viele Rezensenten den Autor seiner Generation in ihm, um ihn, als er mit „American Psycho“ Kultstatus erreichte, zu verdammen. Zu kalt, zu zynisch, zu stupide, wegen seitenlanger Aufzählungen von Markennamen zu stylish.
Carver war der Autor des Unausgesprochenen, des Weggelassenen, der zwischen den Zeilen vom Miteinander erzählte. Zu einem Wegbereiter jener, die nicht alles zu Tode erzählen, lieber Lesern die Verantwortung aufbürden, sich nicht schnöde alles vorkauen zu lassen, sondern mitzudenken, mitzufühlen, sich von unterdrückten Emotionen packen zu lassen oder in einem Dialog die Kälte zu spüren.
McGlue ist ein Säufer. McGlue ist angeblich ein Mörder. McGlue sagt von sich, dass aus ihm Dreck wächst, weil er im Inneren nur aus Dreck besteht. Er von einem Toten heimgesucht. So lernen wir ihn an sein Bett gekettet als menschlichen Abschaum auf einer Seereise kennen.
Eine Frau nimmt sich in „Mein Herz so weiß“ das Leben. Sie ist die Tante des Ich-Erzählers Juan. Sie haben sich nie persönlich kennengelernt, da Juan zum Zeitpunkt des Selbstmords noch nicht geboren war. Warum hat sie das getan, fragt er sich? Zumal gleich nach der Hochzeitreise.
Wer den Theatermann bis dahin nicht kannte, begegnete in der Novelle einem Autor, der sich dem Minimalismus verschrieben hat. Seine Geschichte der Signe ist sprachlich nicht üppig ausgestattet, sie unterliegt dem Skalpell eines Autors, der alles Überflüssige wegstreicht. Warum sollten Sätze sich schmücken, wenn es auf den Kern ankommt?
Der 1997 erschienene Roman „Der Himmel unter der Stadt“ ist kein Historienroman. In der Übersetzung von Matthias Müller führt uns McCann in das Tunnelsystem unterhalb New Yorks ein. In einen Zufluchtsort für alle hoffnungslos Gestrandeten.
Es gibt nicht viele Autoren, die mit ihrem ersten Roman für Furore sorgen, indem sie mit bekannten Erzählmustern aufräumen. Knut Hamsuns „Hunger“ ist unsterblich, seiner damaligen Zeit weit voraus. Halb dem Wahnsinn verfallen, von Hunger zerfressen, irrt ein Ich-Erzähler durch Kristiana.
Ein Zwanzigjähriger zieht in eine Dachkammer in Notting Hill. Nick, der den bezeichnenden Nachnamen Guest führt, taucht in die Welt des Luxus ein, in der es weniger darauf ankommt, was er kann, als vielmehr darauf wen einer kennt. Nick ist homosexuell, der Provinz entflohen und legt eine rasante Entwicklung zum Dandy ab
Twain kannte sich mit skurrilen Figuren und absurden Situationen aus und machte sich selbst zu einer. In „Knallkopf Wilson“ kommt es zu einem Diebstahl im Haus von Percy Driscoll, der kurzerhand droht, alle Sklaven in den Süden zu verkaufen. Was die zwanzigjährige Roxy dazu veranlasst, ihren wenige Monate alten Sohn in die Kleider von Thomas Becket Driscoll, zu stecken, dem gleichaltrigen Sohn ihres Herrn.
Eine erfolgreiche Autorin, die nicht unbedingt in der Liste der vergessenen Bücher aufgeführt werden müsste, wäre da nicht von einem erzählerischen Glanzstück zu erzählen. Ein Verbrechen, das nicht geschehen ist, aber geschehen sein muss, weil alle glauben wollen, dass es geschehen ist.
Auf dem Weg zur Begräbnisstätte gerät Addies Leichenzug von einer Bredouille in die nächste. Beim Einsturz einer Brücke geht beinah der Sarg verloren, ein verkrüppeltes Bein bricht erneut und selbst die Verstorbenen melden sich zu Wort. Das als Tragikomödie zu bezeichnen, ist weit untertrieben.
Hätten uns all diese Romane nicht zu einem Aufschrei bewegen müssen, der nicht als ohnmächtige Demonstration verpufft? Stattdessen schauen wir uns Sondersendungen an und verfolgen selbstgefällige Talkrunden, die wert darauf legen, empört zu sein. Nie wieder Krieg hieß es doch, oder?
Dass Freunde zu erbitterten Feinde werden, zumal wenn sie Schriftsteller sind und der eine sich notgedrungen über Wasser hält, während der andere mit seinen Büchern auf der Bestsellerliste landet, soll im wirklichen Leben tatsächlich vorkommen. Mit „Information“ ist Martin Amis nicht nur ein tiefer Einblick in das geschundene Dasein eines Autor gelungen, er hat eine Satire auf den Literaturbetrieb geschrieben.
Manchmal prägt sich von einem Erzählband nur eine einzige Erzählung über die Jahre ein. So geschehen bei Ingeborg Bachmann und ihrer „Undine geht“ aus der sieben Erzählungen umfassen Sammlung „Das dreißigste Jahr“. 1961 erschienen.
Nach einer schweren Operation seiner Frau, der eine Brust amputiert worden ist, dem Eingeständnis, dass er sie nicht mehr liebt, belauscht der Werbetexter Brausen die Prostituierte Queca in der Nachbarwohnung, und gibt sich Gedanken hin, er sei ihr gewalttätiger Geliebter. Womit von Anfang an klar ist, in welcher Welt wir uns bewegen: dem Machismo.
Carlo Levis 1945 erschiener Roman taucht tief in die versprengte Welt der Bauern ein, in die der Arzt Levi 1935 für zwei Jahre verbannt wurde. Er ist ein confinato politico, einer, den das faschistische Regime Mussolinis wegen seiner Aktivitäten im Mezzogiorno unter Aufsicht stellt.
Judith, die Musikalische, lebt längst in New York. Was bei Cassandra nach dem Auszug ihrer Schwester eine tiefe Verstörung des Alleinseins, des Verlassenwerdens nach sich zog. Nun beabsichtigt ihre Schwester, einen Arzt heiraten, was das Band zwischen ihnen endgültig zerreißen würde
Als Kind eines algerischen Landarbeiters lernte Younes vor allem eins kennen: Die Vergeblichkeit. Wäre da nicht sein Onkel, ein Apotheker, der sich um ihn kümmert, hätte er wie sein Vater ein Leben in der Entbehrung gelebt. Er wechselt nicht nur den Namen von Younes in Jonas, er genießt den Vorteil im europäischen Teil aufzuwachsen.
Der Journalist und Autor Joseph Roth kannte sein Österreich, kroch in seine Ecken und spülte Charaktere heraus, die verspielt dem Spinnennetz der Melancholie verfallen waren und nicht selten einer gewisse Trägheit frönten. Nach dem ehernen Grundsatz: Alles soll so bleiben, wie man es kennt.
Eine junge Autorin, die gerade erlebt, wie ihr „Der Fremde im Zug“ wegen der Hitchcock-Verfilmung durch die Decke geht und ihr Roman in zahlreiche Länder verkauft wird, entscheidet sich ihr nächstes Buch unter Pseudonym herauszubringen. Die Geschichte einer lesbischen Liebe könnte ihrer Karriere sonst schaden.
Salim hat gegen König Hassan II geputscht und sitzt seitdem in einem geheimen Straflager ein. Im Nirgendwo. Sie alle, die sich gegen den König aufgelehnt haben. Statt sie zu erschießen, sieht die Rache so aus, dass sie unterirdisch in Zellen sitzen, in denen sie sich nicht aufrichten können. Wie Tiere werden sie soeben am Leben gehalten.
Da trifft eine wunderschöne 33-jährige auf einen Studenten, der von Paris, der Boheme, dem Lebens als Schriftsteller träumt und zusammen mit seiner Tante den Skandal schürt. „Tante Julia und der Kunstschreiber“, ein früher Roman von Mario Vargas Llosa, ist nicht nur eine Hommage an die Liebe, das Schreiben, vor allem ans Radio.
Zola lesen. Wirklich? Steht der nicht eingemauert und verstaubt in den Klassikerausgaben und wird höchstens verfilmt. Le Voreux, die Bergarbeitersiedlung eines Schachts, ist der Schauplatz von Émile Zolas Roman „Germinal“. Der Maschinist Etienne Lantier schürt die Revolte, überzeugt die Bergarbeiterfamilien von der Arbeitsniederlegung.
Nichts ist schlimmer als die Langeweile. Sie verführt zu heimlichen Gedanken, zu lustvoller Verlockung, zur mit Heißluft aufgefüllten Sehnsucht. Carson McCullers erzählt die Geschichte einer Garnisonsstadt im Süden der USA. Kein Krieg weit und breit in Sicht, in denen sich Helden auszeichnen können. Schnell ist klar, die Stunden, die nicht vergehen wollen, sorgen für Überhitzung.
Dass Fernsehjournalisten wegen der unterschiedlichsten Vergehen plötzlich ihr Ausscheiden aus dem Sender bekanntgeben, ist in letzter Zeit fast gang und gäbe. Sie gehen wie Harold Cleaver in Tim Parks Roman „Stille“ davon aus, allein wegen ihrer Stellung, der Meriten, die sie sich über die Jahre verdient haben, unantastbar zu sein.
„The funniest Person in My life“, äußerst sich einer seiner Leser über ihn. Vielleicht muss man dem Leben mit einem Hang zur Komik, mitunter verspieltem Sarkasmus begegnen, wenn es einem übel mitgespielt hat. Nach dem Krieg arbeitete Vonnegut als Polizeireporter, als PR-Fachmann und verkaufte seine Stories an US-Zeitschrift. In „Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug“ verarbeitet er seine Zeit als Kriegsgefangener, der die Luftangriffe auf Dresden miterlebte.
Der Roman der aus Schottland stammenden A.L. Kennedy „Alles was du brauchst“ ist alles andere als ein Lobgesang auf das Künstlerleben. Eher ein Ringen mit Verlusten, Versäumnissen, der Sehnsucht. Obwohl die Voraussetzungen in einer Künstlerkolonie auf Foal Island an der walisischen Küste zu wohnen und zu schreiben, besser nicht sein könnten.
Die letzte Ausfahrt zu nehmen, kann bedeuten, dass man endlich da ankommt, wo man hingehört. Am Ziel. Oder die letzte Ausfahrt ist wie die letzte Station einer Straßenbahn, man muss aussteigen, es geht nicht mehr weiter. Hubert Selbys Roman „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ ist disparat, brutal, ungeschminkt und spielt in den 1950 Jahren in Brooklyn.
Ein dreißigjähriger Schriftsteller hat ein Buch geschrieben, das von der Kritik einstimmig verrissen wird. Er geht auf die Suche nach sich selbst, verwandelt sich in den siebzehnjährigen Jungen zurück, der er einmal gewesen ist. Er begibt sich erneut auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Ferdydurke“ war bei seinem Erscheinen 1938 eine Provokation. Er war eine Abrechnung mit den „intellektuellen Tanten“, wie er Kritiker und ihre Ignoranz beschrieb. Anhänger feierten seine sprachmächtige Komik, Gegner bezeichnet das Ganze als Nonsens.
John Fantes „Arturo Bandini“ hat ihn durch mehr als einen Roman begleitet. Von einem schnellen Ton getragen, der den Hunger nach Leben in seinem Amerika der 1930 Jahren wiederspiegelt. Fantes Trilogie erlebte über die Jahrzehnte immer wieder eine Renaissance. Sein Boulder, Colorado, ist der Mittelpunkt der Welt, die Wurzel, aller Italo-Amerikaner.
Ein Autor, der für Aufruhr sorgte, wenn er allzu deutlich Personen aus seinem privaten Umfeld in seine Erzählungen einfließen ließ. Einer, der den österreichischen Staat herausforderte. Zu guter Letzt sogar verbot, dass seine Werke nach seinem Tod in seiner Heimat aufgeführt wurden. So einer muss doch unvergessen sein, oder?
Wenn der Vater mit siebenundachtzig ein Verhältnis mit einer Neunundsechzigjähren beginnt, sich nicht damit begnügt, mit seinem Leben abzuschließen, lieber an der Lower Eastside ein Restaurant für Fleischbällchen eröffnen will, führt das natürlich zu Verwirrungen. Ruth, die Tochter, fest verankert in den New Yorker Neurosen, bewegt sich am Rande des Nervenzusammenbruchs auf Grund von so viel überbordender Vitalität.
In „Betty“ erzählt er von einer Frau Ende Zwanzig, die sich in Bars betrinkt, scheinbar haltlos ist. Im „Le Trou“ gerät sie unter die Streuner, Trinker, Überlebenskünstler und ihre hochtrabenden Ansichten über die Welt an sich.
Laxness war ein politischer Schriftsteller, der sich in der Tradition der isländischen Sagen genauso gut auskannte, wie mit den sozialen Verwerfungen in seinem Land, der Geschichte, den Traditionen. In „Atomstation“ erzählt er von dem amerikanischen Ersuchen, für 99 Jahre einen Stützpunkt auf Island zu errichten, und beschwört die Gefahr für das Leben und die Kultur in seinem Land herauf.
Wir sind es gewohnt, Kriege aus sicherer Entfernung zu verfolgen. Livereportagen, Dokumentationen. All das gibt es in Claudels Welt in seinem Roman „Die grauen Seelen“ noch nicht. Versteckt vor der Außenwelt liegt das Dorf da. Zwanzig Jahre braucht es, bis der Ich-Erzähler den Mut aufbringt, sein Schweigen zu brechen.
Die österreichische Autorin bietet in ihrem Roman eine Art Umkehrung an. Nicht nach vorne schreitet die Geschichte der inzestuöse Liebesgeschichte der Madeleine Asher mit ihrem Bruder Rick, sie verortet ihr eine Rückwärtsbewegung. Zwar ist alles Gegenwart, und da wir das Ende als Sechzigjährige in Chicago gleich zu Anfang kennen, alles Vergangenheit.
Ein britischer Konsul in Cuernavaca in Mexiko. Am Tag der Toten. Malcolm Lowrys Roman wurde dank John Huston wiederentdeckt. Lowrys eigene Geschichte als schriftstellernder Alkoholiker, der seine Texte im Stehen an ein Stehpult geklammert diktierte, in der Presse abgedruckt. Die Parallelen zwischen Lowry und seinem Konsul lagen auf der Hand.
Sofi Oksanens Roman „Fegefeuer“ erzählt vom Trauma, das Estland ergriff, als der Zweite Weltkrieg das Land zwischen die Fronten spülte und zum jeweiligen Aufmarschgebiet der Besatzer machte. Okkupation, Folter, Erschießungen und Deportation griffen um sich.
Schon in seinen Theaterstücken „Fool for Love“ und „Buried Child“ griff Sam Shepard auf jene amerikanischen Mythen zurück, die seine Arbeiten als Drehbuchautor, Storyteller, Schauspieler prägten. Es waren die staubigen Straßen, die billigen Hotels, die harten Gesichter. Menschen wie Travis in „Paris Texas“, der von seinem Versagen niedergedrückt wird.
Eine Schriftstellerin gewährt sich alle Freiheiten. Ihr dabei zuzusehen, wird zu einem Leseerlebnis der besonderen Art. Mit ihr legen wir die Fesseln ab, was wir von einer Geschichte erwarten. Kein erhobener Zeigefinger, keine auf Wirkung erzielte Dramatik. Von Komik versteht sie wirklich was, aber sie ist nie entblößend, eher kratzt sie am Absurden. Wie man eine Gesellschaft im Wandel beschreiben sollte, das liest sich in „Frühling“, „Herbst“, „Sommer“ und „Winter“ fulminant.
Als „Bleu comme l’enfer“, Blau wie die Hölle, 1982 in Frankreich erschien, waren sich die Kritiker schnell einig, dass da ein Autor das Lebensgefühl der jüngeren Generation einfing. Derb, temporeich, mitunter rebellisch, dem Sex zugewandt. Da war „Betty Blue“, der Roman, der ihn berühmt machen sollte, noch gar nicht erschienen. Philippe Djian war Kult.
Sommerferien am Atlantik. Das fordert ein Liebesgeplänkel geradezu heraus. Licht und Schatten, Alkohol, hochgelegte Füße und eine Brise vom Meer. Schon befindet man sich in dieser leicht verführbaren Stimmung. Das, was einen ausmacht, rückt von einem ab. Zumal, wenn mit Mutter und Tochter im Nachbarhaus zwei Frauen einziehen, die so anziehend wirken, dass man sich ihnen nicht entziehen kann.
Das Farewell eines Restaurants. Der letzte Abend seiner Angestellten und Gäste. Eher ein stilles Drama. Ein sich Fügen in eine unsichere Zukunft. Da war früher das Red Lobster …. werden die Stammgäste die Erinnerung wachhalten. So wie wir über unsere verlorenen Plätze sprechen. Ein paar letzte Stunden, bevor innen wie außen das Licht im Red Lobster ausgeht.
Muss man auf Dorothy Parker und ihre „New Yorker Geschichten“ wirklich aufmerksam machen? Zu schillernd war der literarische Kreis im Algonquin Hotel, der zur Verfilmung durch Alan Rudolph führte, zu schlagfertig Parkers Zunge, die sie 1920 ihren Job bei Vanity Fair kostete. Eine Frau, die nicht nur auf Augenhöhe bestand, die Männer musste sich oft genug auf die Zehenspitzen stellen.
Sechsundfünfzig Jahre nach Beendigung des Bürgerkriegs sitzt ein Oberst immer noch da und wartet. In einem Dorf in Kolumbien. Ob er nun endlich seine Veteranenpension bekommt, ist ungewiss. Sein Leben ist mehr als beschaulich, regelrecht armselig. Abwechslung bietet schon mal eine Beerdigung, bei der er ungern seine Lackstiefel trägt, weil sie wie Waisenschuhe aussehen.
Der 2017 verstorbene Essayist, Maler, Schriftsteller, Fotograf und Drehbuchautor John Berger war ein Grenzgänger, dessen Werk nicht einheitlich in eine Schublade passt. Vor allem war er ein Chronist gesellschaftlicher Missstände. Für seinen Roman „G.“ bekam er 1972 den Boker-Prize und stiftete die Hälfte des Preisgelds für die Black Panther Bewegung. Eine Geschichte wie in seinem Roman „Auf dem Weg zur Hochzeit“ vom Ende her zu erzählen, ist ein Wagnis.
Frankie Machine ist Berufskartenspieler. Seiner Heroinsucht ist er hinter Gittern entkommen und kehrt nach seiner Haftstrafe clean zu seiner Frau Zosch zurück, die nach einem Unfall in einem Rollstuhl sitzt. Frankie hat im Knast Schlagzeug spielen gelernt, träumt von einer Karriere als Musiker abseits der Spieltische. Er widersteht allen Verlockungen, sein altes Leben wieder aufzunehmen. Wäre da nicht seine eifersüchtige Ehefrau, die ihm keine Ruhe lässt, ihn dazu überredet, sich wieder an illegalen Pokerrunden zu beteiligen.
Maaza Mengiste hat für ihren Roman „Der Schattenkönig“ 2020 den Booker Prize gewonnen. Ihr erster Roman „Unter den Augen des Löwen“ spielt 1974 in Äthiopien, kurz vor dem Sturz des Diktators und dem Umbau des Landes in einen sowjetischen Satelittenstaat.
Clelia verbringt in Cesare Paveses „Am Strand“ ihre Ferien mit vier Männer an der ligurischen Küste. Eric Rohmer hat aus diesen heißen Tagen, die am besten im Schatten auszuhalten sind, Filme gedreht. Es wird geflirtet, getrunken, es werden Grenzen ausgelotet und alles ist ein Zeitvertreib, ein Spiel.
Natürlich bleibt Gertrude Stein auf Grund ihres Salons in Paris, der ein Treffpunkt der Avantgarde war und ihrem berühmten Satz „Rose is a rose is a rose is rose“ unvergessen. Ohne etwas von ihr gelesen zu haben, behaupten viele, sie zu kennen. War das nicht die mit Hemingway, mit Picasso, verkehrte nicht auch Cézanne, Renoir und Gauguin bei ihr? Unbestritten, darf sie als Autorin zur klassischen Moderne gezählt werden.
Walter Serners „Die Tigerin“ umgibt ein gewisser Kultstatus, als würde man ihn heutzutage noch unter dem Tisch verkaufen. Die Geschichte spielt im Milieu der Huren, Ganoven, inmitten der Halbwelt, die viele Erzählungen von Serner bevölkert haben. Eigentlich eine Liebesgeschichte.
So wie bei Richard Fords Frank Bascombe hat John Updike fünf Bücher über Harry Angstrom geschrieben. Im ersten Roman „Hasenherz“ ist Harry noch Warenhausverkäufer. Sein Leben ist längst aus der Bahn geworfen, als er bemerkt, dass er eigentlich nicht mehr lebt, sondern nur noch über das Leben nachdenkt.
Können Lügen fromm sein? Dienen sie nicht vor allem dem Zweck, sich zu entziehen? Erleichtert das gegenseitige Anschwindeln nicht das Leben miteinander? Disches Figuren fehlt es an schlechtem Gewissen, an übergeordneter Moral, um der Versuchung zu widerstehen, sich selbst in einem besseres Licht darzustellen oder einen Vorteil aus einer Lüge zu ziehen.
Dass der Portugiese den Nobelpreis verdient hätte, darüber sind sich viele einig. In einem seiner Hauptwerke „Fado Alexandrino“ bringt er vier Jahre nach der Nelkenrevolution, die das Salazar-Regime stürzte, fünf Veteranen zu einem Abendessen zusammen.
Nicht erst seit „Der Liebhaber“, dessen Verfilmung, Maguerite Duras weltweit bekannt machte, interessierte die Autorin, was mit Menschen geschieht, die der Liebe verfallen. In ihrem Stück „La maladie de la Mort“ bezeichnete sie diese Ausschweifung als Krankheit, die Frauen wie Männer in einer romantisierenden Ohnmacht befällt.
Deutschland an der Nahtstelle. Der Bruchstelle nach einem verlorenen Krieg. Auf dem Weg zum Wirtschaftswunder. Die Befreier sind nur noch geduldet. Dass der Rassismus ungebrochen bei den Besiegten wieder die Oberhand gewinnt, davon erzählt Wolfgang Koeppens „Tauben im Gras“.
Als der Kriminalroman „Ciao Papá“ 2007 in dem kleinen Lateinamerika Verlag erschien, war der argentinische Autor Juan Damonte längst verstorben. Ausgestattet mit dem „Hammett Preis“ der Semana Negra für den besten spanischsprachigen Kriminalroman. 1976 war der Journalist, Fotograf, Übersetzer nach Frankreich ins Exil gegangen, später folgten Spanien und Mexiko
Drei Tage sind nichts. Das weiß jeder. Manche Ehe ist sogar in Sekunden vorbei. Eine Drehbuchschreiberin und ein Anwalt sind in Paula Fox Roman „Was am Ende bleibt“ gut aufgehoben im Brooklyn der 1960er Jahre. Eigentlich sorgenfrei, dazu kinderlos. Der Biss einer Katze, die womöglich Tollwut hat, reicht allerdings aus, alles in Wanken zu bringen.
Nein, Rolf Dieter Brinkmann hat niemanden geschont. Lange bevor Thomas Bernhards literarisches Geifern die Bühnen eroberte, spuckte er schon jedem ins Gesicht. Vor allem der 68er-Generation und ihrer Stilisierung des Politischen.
Nichts fördert das Lesen so sehr, wie ein Roman hinter dem persönliche Erlebnisse vermutet werden. Im Fall von George Sand bot die Liebesaffäre zu Alfred de Musset in „Sie und Er“ Anlass zu wilden Spekulationen. Zwei diametral unterschiedliche Vorstellungen von Liebe und Zweisamkeit begegneten sich da.
Was bleibt von einem Autor dessen Antriebsfeder es offenbar war, in seinem literarischen wie essayistischen Werk Menschen zu beleidigen. Der spitzbübisch darüber scherzte, dass ihn nicht nur die Juden hassten, sondern alle Kanadier, aller Glaubensrichtungen. Mordecai Richler ist als Sohn eines jüdischen Schrotthändlers in Montreal aufgewachsen. Seine Figuren stolpern durch überaus komischen Begegnung und geben vor, dass ihnen nichts Menschliches fremd ist.
Willst du die ganze Oper, dann musst du Katholik sein. Eine Einschätzung, die der zum Katholizismus konvertierte Julien Green sicher geteilt hätte. Zweisprachig aufgewachsen, blieb er sein ganzes Leben Amerikaner, obwohl die Franzosen ihn längst als einen der ihren adoptiert hatten.
Es gibt geheimnisumwitterte Romane, die in jeder Generation als Geheimtipp gehandelt werden und wieder verschwinden. Djuna Barnes „Nightwood“ zu deutsch Nachtgewächs gehört sicher dazu. Wer ist Djuna Barnes? Zweifellos eine Autorin der literarischen Moderne.
So ist auch Jan Dítě in Bohumil Hrabals Roman „Ich habe den englischen König bedient“ nur scheinbar naiv, vielmehr weiß er, seine Lebensumstände geschickt anzupassen. Er ist ein Opportunist. Ein Kellner, ein Diener, der sich auf jeden Gast einstellen kann. Immerhin will er Millionär werden und träumt davon, eines Tages ein eigenes Hotel zu besitzen.
Neben „Die flüchtige Seele“, seinem Opus Magnum, in der deutschen Übersetzung über 1300 Seiten stark, waren Harold Brodkeys Erzählungen das, was ihn als einen glänzenden literarischen Beobachter auszeichnete.
Die Welt der Gedichte ist für manche eine verschlossene Form. Jedoch verbirgt sich nicht selten dahinter eine Autorin oder ein Autor, der Extremen ausgesetzt ist. Anne Sexton war eine Vertreterin des Confessional Poetry.
Manche Geschichte plätschern nur so dahin. Sie klingen so, als habe ein Autor zugehört. Das Schwierigste beim Schreiben überhaupt. Willy Vlautins „Northline“ ist ein Beispiel dafür, dass eine gute Geschichte nicht mehr braucht als eine gute Geschichte.
Wie zerbrechlich Wahrheiten sind, damit kannte sich die irische Autorin Iris Murdoch aus. Sie suchte nach Antworten in ihrem literarischen Werk und in der Philosophie. In „Der Schwarze Prinz“ fühlt sich Bradley Pearson mit 58 zum Schriftsteller berufen.
„Die Fälschung“ von Nicolas Born erschien kurz vor seinem Tod 1979. Sie erzählt die Geschichte der Kriegsreporters Gregor Laschen, den es im Auftrag einer Hamburger Illustrierten nach Beirut verschlägt. Mitten zwischen rivalisierende Milizen von Christen, Muslimen und Palästinensern hinein in einen Stellvertreterkrieg.